In diesem Modul erfahren Sie, was ein (GAT2)-Transkript ist und warum Transkripte für die Gesprächsanalyse notwendig sind. Ein kurzer Überblick wird Ihnen zeigen, welche Gesprächsmerkmale in einem Transkript erfasst werden.

Lernziele

Sensibilisierung für die Notwendigkeit des Transkribierens und Verständnis grundlegender Eigenschaften von Transkripten.

Zielgruppe

Dieses Themengebiet richtet sich an Anfänger:innen.

Voraussetzungen

Wir empfehlen die Lektüre des GAT2-Aufsatzes.

Grundidee des Transkribierens

Transkripte sind neben der Ton- bzw. Videoaufnahme die Datengrundlage in der Forschungsarbeit mit gesprochener Sprache.

Was folgt daraus?

Im Gegensatz zu einem Vorlesungsmitschrieb, in dem es in erster Linie darum geht, den Inhalt des Gehörten grob festzuhalten, müssen in einem Transkript alle Details genau notiert werden. Dies ist deshalb notwendig, weil jedes scheinbar unwesentliche Detail für die spätere Datenanalyse von großer Relevanz sein kann.

Konversationsanalytische und andere linguistische Forschungen zur gesprochenen Sprache haben gezeigt, dass Phänomene wie Pausen, Verzögerungen oder Überlappungen durch die Interaktionsteilnehmer:innen systematisch und regelhaft verwendet und interpretiert werden können. Gleiches gilt für vermeintliche Fehler wie Versprecher, Wiederholungen von einzelnen Silben, Abbrüche von Äußerungen und viele andere typisch gesprochensprachliche Phänomene.

Wenn Sie transkribieren, dürfen Sie deshalb auf keinen Fall versuchen, "Ordnung in das Geschehen zu bringen", indem Sie etwa Versprecher bereinigen, Korrekturen weglassen, Abbrüche vervollständigen oder scheinbar Ungrammatisches verbessern (Deppermann 2008: 40).

Transkripte dienen genau dazu, solche Regelhaftigkeiten im Gesprächsverlauf möglichst genau erfassen zu können, um sie dann einer gründlichen Analyse zugänglich zu machen.

Was ist ein Transkript?

Definition:

"Unter "Transkription" versteht man die Verschriftung von akustischen oder audiovisuellen (AV) Gesprächsprotokollen nach festgelegten Notationsregeln" (Deppermann 2008: 39)

In diesem Tutorial werden Sie die Notationsregeln nach GAT 2 (Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem, Selting et al. 2009) kennen lernen.

Beispiel für ein Basistranskript

0487 AB ja da waren sie noch nich miNISterin;=nich wahr;
0488 <<lateral>°hh> äh [hä (.) äh ] äh NICHT?=
0489 CD [<<rufend>noch nicht auf der WELT;]>
0490 AB =äh so äh so äh
0491 SO des is ei <<lateral>°h>
0492 also jedenfalls °hh (-) äh eh die BAHN,
0493 ehʔ (-) äh dieʔ (--) die BAHN,
0494 <<creaky>m::> äh w s sendet ja allerdings °h (.) erst spät NACHTS?=
0495 =um halb fünfe oder um um um VIEre rum,
0496 °h (.) nich WAHR-
0497 (.) die schönsten bahnstrecken der WELT;
0487 AB ja da waren sie noch nich miNISterin;=nich wahr;
0488 <<lateral>°hh> äh [hä (.) äh ] äh NICHT?=
0489 CD [ <<rufend>noch nicht auf der WELT;]>
0490 AB =äh so äh so äh
0491 SO des is ei <<lateral>°h>
0492 also jedenfalls °hh (-) äh eh die BAHN,
0493 ehʔ (-) äh dieʔ (--) die BAHN,
0494 <<creaky>m::> äh w s sendet ja allerdings °h (.) erst spät NACHTS?=
0495 =um halb fünfe oder um um um VIEre rum,
0496 °h (.) nich WAHR-
0497 (.) die schönsten bahnstrecken der WELT;
0487 AB ja da waren sie noch nich miNISterin;=nich wahr;
0488 <<lateral>°hh> äh [hä (.) äh ] äh NICHT?=
0489 CD [ <<rufend>noch nicht auf der WELT;]>
0490 AB =äh so äh so äh
0491 SO des is ei <<lateral>°h>
0492 also jedenfalls °hh (-) äh eh die BAHN,
0493 ehʔ (-) äh dieʔ (--) die BAHN,
0494 <<creaky>m::> äh w s sendet ja allerdings °h (.) erst spät NACHTS?=
0495 =um halb fünfe oder um um um VIEre rum,
0496 °h (.) nich WAHR-
0497 (.) die schönsten bahnstrecken der WELT;

Quelle: FOLK_E_00068_SE_01_T_08 Zur DGD

Wozu transkribieren wir?

Transkripte bringen eine Reihe von Vorteilen mit sich:

  • Sie ermöglichen, dass man verschiedene Stellen des Gesprächs simultan vergleichen kann.
  • Sie bieten einen leichteren Überblick über den Gesprächsverlauf.
  • Sie ermöglichen die extensive und beliebig oft wiederholbare Analyse eines sprachlichen Phänomens. Würde man nur mit der Ton- oder Videoaufnahme arbeiten, müsste man nicht nur Passagen permanent in Dauerschleife anhören. Es entgingen einem dabei vermutlich auch etliche Feinheiten des Sprechereignisses. Diese müssen zwar beim Transkribieren auch erst einmal mühsam festgehalten werden. Ist ein (ausbaufähiges) Transkript aber erstellt, erleichtert es die systematische Analyse ungemein. Aber Achtung: Dies soll nicht heißen, dass man Analysen nur anhand der Transkription durchführen kann. Eine gründliche Analyse eines sprachlichen Phänomens sollte immer im Wechselspiel zwischen Transkript und Originaldatum durchgeführt werden.

Was transkribieren wir?

Die Grundidee des Transkribierens ist es, das Originalgeschehen im Verlauf der Datenaufbereitung möglichst authentisch zu erhalten.

Daher unterscheiden sich Transkripte von anderen Verschriftungen, die Ihnen möglicherweise vertraut sind, wie etwa Vorlesungsmitschriebe.

Aber was heißt authentisch?

Authentisch heißt...

Wir transkribieren das, was wir hören, auch wenn es nicht unseren "Korrektheitsvorstellungen" von "gutem Deutsch" entspricht.

Problem: Unsere Auffassungen von Sprache sind stark durch die orthografischen und grammatischen Regeln für schriftliche Standardsprache geprägt. Viele dieser Korrektheitsstandards sind nicht auf Gespräche zu übertragen.

Wie transkribieren wir?

In diesem Tutorial lernen Sie die Transkription nach den Konventionen des GAT 2 (Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem 2).

Transkriptionskonventionen legen fest, wie welche auditiven und gegebenenfalls visuellen Phänomene zu notieren sind. So wird nach den GAT2-Konventionen beispielsweise eine kurze Pause mit den Zeichen (.) verschriftlicht.

Die Lautung wird in literarischer Umschrift wiedergegeben und lehnt sich an die Standardorthografie an. Gleichzeitig können aber auch umgangssprachliche und dialektale Lautungen ("des mach mer jetzt") erfasst werden.

Außerdem wird durchgehend Kleinschreibung verwendet; mit der Großschreibung werden Akzentsilben markiert.

In einem Transkript werden z.B. die folgenden Phänomene erfasst:

Prosodische Phänomene

Pausen, Tonhöhe, Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit u.a.

Nicht-Lexikalisierte Laute

Lachen, Interjektionen, sog. sound objects u.a.

Nonverbale Phänomene

Umgebungsgeräusche wie Türenschlagen, Besteckklappern etc.

Bei Videoaufnahmen: gegenständliche Handlungen wie Blättern in Unterlagen

Aus dem Bereich der multimodalen Kommunikation

Proxemik (das Näheverhalten), Mimik, Gestik

Hinweis: Die Transkription im Bereich der multimodalen Kommunikation hat sich in den letzten Jahren sehr stark entwickelt. Einen knappen Überblick bietet etwa Dix (2021:97-114).

Zu guter Letzt...

  • Transkripte gehören zu den Daten, anhand derer Interpretationen vorgenommen werden
  • Daraus folgt: Transkripte sollen so interpretationsarm wie möglich sein. D.h. stark interpretierende Kommentare (wie "ironisch", "fragend") und Beschreibungen ("grinst hämisch") gehören nicht ins Transkript!

Literatur

Deppermann, Arnulf (2008): Gespräche analysieren: eine Einführung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Dix, Carolin (2021): Die christliche Predigt im 21. Jahrhundert. Multimodale Analyse einer Kommunikativen Gattung. Wiesbaden: Springer.